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Konferenzdolmetschen

Was muss erledigt werden, damit die Verdolmetschung der Konferenz reibungslos und professionell verläuft?


Jeder Dolmetscher hat sicher schon einmal die Geschichte vom Kunden gehört, der vor vielen Jahren eine Dolmetscheranlage bestellte, Dolmetscher aber wiederum nicht, weil er ernsthaft glaubte, die Technik werde das Dolmetschen schon von selbst erledigen. Zwar sind solche Geschichten heutzutage nicht mehr typisch, es gibt jedoch immer noch viele Hindernisse, auf die man bei der Organisation der Verdolmetschung von Veranstaltungen besser achten sollte.

Konferenzdolmetschen ist eine Verdolmetschungsart, die bei Konferenzen, Veranstaltungen, Pressekonferenzen verwendet wird. Die Dolmetscher (jeweils zwei pro Sprachkombination) sehen den Referenten aus einer Kabine und verfolgen den Vortrag mit Hilfe von Kopfhörern, während sie das Ganze simultan, also nur leicht zeitversetzt in ein Mikrofon übersetzen. Das Publikum hört die Verdolmetschung über Empfänger mit Kopfhöreranschluss. Der Vorteil dabei ist, dass kein "Zeitverlust" entsteht , gleichzeitig zur Rede erfolgt auch die Übersetzung. Konferenzdolmetscher mit entsprechender Routine und Themenkenntnis können mitunter eine sehr einfühlsame, einem "eigenständigen Referat" nahe kommende Leistung bieten.

In diesem Eintrag setze ich voraus, dass Sie als Kunde bereits wissen, wann und wo die Konferenz stattfindet und wie viele Sprachen zu verdolmetschen sind (mit letzterem Aspekt wird sich ein anderer Eintrag befassen). Ebenso sollte bekannt sein, wer die entsprechende Dolmetscheranlage zur Verfügung stellt. Deshalb möchte ich an dieser Stelle nur eine sehr vereinfachte und alltägliche Situation beschreiben: Verdolmetschung einer Konferenz mit gleichsprachigen ausländischen Teilnehmern, mit Hilfe von zwei Konferenzdolmetschern.

Worauf sollte man achten, wenn man Konferenzen mit Hilfe von Simultandolmetschern organisiert?

1.    Wenn der Zeitpunkt feststeht, sollte man so früh wie möglich die Dolmetscher organisieren, denn der Terminkalender guter Dolmetscher ist schnell ausgebucht.

2.    Obwohl ein wiederkehrender und/oder im Thema bewanderter Dolmetscher in besonders spezifischen Fachbereichen auf jeden Fall von Vorteil ist, sollte man nicht vergessen, dass ein routinierter Dolmetscher praktisch jedes Themengebiet meistern kann. Dazu benötigt er freilich Hintergrundmaterialien und muss in der Tat routiniert und erfahren sein.

3.    Wenn die beiden Dolmetscher gebucht sind – abgesehen von sehr kurzen Ereignissen kommt beim Konferenzdolmetschen wegen der Belastung ein einzelner Dolmetscher nicht in Frage –, gilt es, so schnell wie möglich folgende Gesichtspunkte zu klären bzw. den Dolmetschern im Vorfeld der Veranstaltung als Information zukommen zu lassen:

a)    Das Thema (der Titel) der Konferenz und das Drehbuch der Veranstaltung: In welcher Reihenfolge treten die Referenten auf und worüber werden sie sprechen?

b)    Wer sind die Referenten und die eventuell um Wortmeldungen gebetenen Ehrengäste oder Schirmherrn? Namen von Institutionen, Referenten, ihre Positionen und Organisationseinheiten. Zu den schwierigsten Dingen aus der Sicht eines Dolmetschers gehört, wenn eingangs einer Veranstaltung die Namen und Titel der Teilnehmer wie am Fließband verlesen werden – in der Annahme, dies sei nichts weiter als eine Höflichkeitsfloskel –, während von den Dolmetschern erwartet wird, diese Angaben professionell zu übertragen. Kombiniert mit den Organisationseinheiten geben Titel häufig eine Komplexität ab, die den Dolmetscher – wenn er keine entsprechenden Vorkenntnisse hat und die Ankündigung eventuell undeutlich formuliert wird – nahezu notwendigerweise scheitern lässt. Deshalb ist es wichtig, dass die Dolmetscher diese Informationen im Vorfeld der Veranstaltung – und nach Möglichkeit nicht erst am Veranstaltungsort – erhalten.

c)    Vorträge, Präsentationen, Reden, Entwürfe usw.: Ich denke, die Wichtigkeit dieses Punktes braucht nicht ausführlich erläutert zu werden.  Ein Dolmetscher braucht den nötigen Input, um den entsprechenden Output produzieren zu können. Dolmetschen ist wie scharf schießen, wo wirklich alles passieren kann. Wenn man jedoch bereits im Vorfeld weiß, dass ein Referent den Begriff „Kolostrum“ verwenden wird, dann kann man sich darauf vorbereiten. Im entgegengesetzten Fall muss ein Dolmetscher improvisieren, ein Vorgang, dessen Ausgang sehr unbestimmt ist. (Apropos: Wissen Sie, was dieses Wort bedeutet? Wenn nicht, braucht Sie das nicht zu grämen; bis vor einigen Jahren wusste ich es auch nicht. Das Kolostrum ist bei Säugetieren die erste Milch für das Neugeborene, die in Aussehen und Zusammensetzung sehr stark von der späteren Muttermilch abweicht.)

d)    Wer wird die Kontaktperson von Seiten des Auftraggebers vor Ort sein, inklusive der Handynummer (sofern es sich nicht um die gleiche Person handelt, mit der der Dolmetscher den Auftrag verhandelt hat)?

e)    Wird vor Ort eine Aufnahme von der Veranstaltung unter Mitschnitt des Tons aus der Dolmetscherkabine gemacht? Dieser Umstand sollte wegen dem Urheberrecht geklärt werden, denn das Dolmetschen als Produkt gehört dem Dolmetscher. Sollte Bedarf bestehen, dieses Produkt abgesehen von der Verwendung „hier und jetzt“ auch später zu verwenden, so muss dies mit den Dolmetschern abgeklärt werden, unter Umständen zusammen mit der Auszahlung des Verzichts auf urheberrechtliche Ansprüche.

f)    Sollten auch Filme gezeigt werden, die zu verdolmetschen sind, so sollte man diese den Dolmetschern im Vorfeld der Veranstaltung zur Verfügung zu stellen.

g)    Ein weiterer Aspekt in diesem Zusammenhang, der nicht zu unterschätzen ist: Es ist wichtig, dass die Dolmetscher die Referenten aus der Dolmetscherkabine sehen können (in erster Linie wegen der nonverbalen Kommunikation, doch ebenso, damit sie wissen, an welchem Punkt einer Präsentation sich ein Referent gerade befindet).

h)    Eine weitere wesentliche Frage bezieht sich darauf, ob es abgesehen vom Hauptveranstaltungsort eventuell noch Sektionssitzungen zur gleichen Zeit an einem anderen Ort gibt. Sollte das der Fall sein und werden dort ebenfalls Dolmetscher benötigt, so müssen zusätzliche Dolmetscher angefordert werden, weil es keine Lösung ist, dass ein Dolmetscher in der Kabine bleibt, während der andere zur Sektionssitzung geht. Denn Dolmetscher kommen wegen der beträchtlichen Arbeitsbelastung paarweise zum Einsatz und nicht damit sie gelegentlich getrennt an Sektionssitzungen teilnehmen.

i)    Eine wichtige und für die Dolmetscher zu klärende Frage lautet, ob sie im Falle einer den ganzen Tag währenden Veranstaltung – so wie die übrigen Teilnehmer auch – in den Pausen Mittagessen und Kaffee bekommen. Im Allgemeinen ist dies üblich.

4.    Wenn alles für die Konferenz bereit ist und die oben genannten Punkte allesamt abgehakt sind, sollten noch einige Details erwähnt werden, damit eine reibungslose Abwicklung der Konferenz gewährleistet ist:

a)     Es ist angebracht, die Referenten zu informieren, dass ihr Vortrag verdolmetscht wird, sie sollten also versuchen, in einem normalen Tempo zu sprechen (und nach Möglichkeit ihr Referat nicht vorzulesen, sondern vorzutragen).

b)    Wenn den Konferenzteilnehmern am Ende die Möglichkeit zu Fragen eingeräumt wird, sollte ein weiteres Mikrofon für die Fragesteller aus dem Auditorium zur Verfügung stehen, weil die Dolmetscher in der Kabine die Frage ansonsten nicht hören werden.

5.    Am Konferenztag sollten Sie nicht vergessen, dass die Dolmetscher unter Umständen den ganzen Tag reden werden, wozu sie ausreichend zu trinken haben müssen. Bitte stellen Sie den Dolmetschern deshalb Mineralwasser in der Kabine bereit!

6.    Last but not least muss die Dolmetscheranlage vor der Veranstaltung unbedingt auf ihre Funktionsfähigkeit getestet werden – am besten im Beisein der Dolmetscher.


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