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Dolmetschen auf Pressekonferenzen

Was muss erledigt werden, damit das Dolmetschen auf der Pressekonferenz reibungslos und professionell verläuft?


Die Verdolmetschung von Pressekonferenzen könnte auch als eine Unterart des Konsekutivdolmetschens abgetan werden, wegen der Wichtigkeit solcher Veranstaltungen – und wegen des größeren Drucks auf den Dolmetscher – widme ich ihr jedoch ein eigenes Kapitel. Bei der Verdolmetschung solcher Events stellt sich der Dolmetscher in die Nähe des Redners (oder Redner) – nach Möglichkeit so, dass er auch den Flipchart oder die Präsentation sehen kann - und überträgt das Gesagte dem Publikum jeweils pro Gedankeneinheit (von einigen Sätzen bis zu mehreren Minuten - beim letzteren muss der Dolmetscher allerdings die Möglichkeit haben, sich Notizen machen zu können). Da bei dieser Art des Dolmetschens auch der Dolmetscher selbst zum Vortragenden wird, ist ein entsprechender (lampenfieberfreier) Auftritt besonders wichtig.


Worauf sollte man bei der Verdolmetschung von Presskonferenzen achten?

1.     Wenn der Zeitpunkt der Pressekonferenz feststeht, sollte man so früh wie möglich einen entsprechenden Dolmetscher buchen, denn der Kalender guter Dolmetscher ist schnell voll.

2.    Obwohl ein wiederkehrender und/oder im Thema bewanderter Dolmetscher in besonders spezifischen Fachbereichen auf jeden Fall von Vorteil ist, sollte man nicht vergessen, dass ein routinierter Dolmetscher mit „Bühnenerfahrung“ praktisch jedes Themengebiet meistern kann. Dazu benötigt er freilich Hintergrundmaterialien und muss in der Tat routiniert und erfahren sein.

3.    Wenn der Dolmetscher gebucht ist, sollten noch diese Aspekte geklärt, beziehungsweise folgende Informationen dem Dolmetscher so früh wie möglich zugeschickt werden:

a)    Was ist das Thema und der Verlauf der Pressekonferenz?

b)    Wer ist der Sprecher (eventuell die Sprecher), aus welcher Organisation kommt er und was ist seine Position (ist wegen der Ankündigung wichtig). Namen von Institutionen und Positionen sind häufig so komplex, dass es oft von Vorteil ist, wenn sich der Dolmetscher auf sie vorbereiten kann. 

c)     Wie soll das Ereignis gedolmetscht werden? Im Stehen oder im Sitzen? Im ersten Fall sollte man berücksichtigen, dass der Dolmetscher im Stehen sich kaum oder nur schwierig das Gesagte notieren kann, deswegen sollten nach Möglichkeit nur kürzere, aus einigen Sätzen bestehende Abschnitte vom Redner vorgetragen werden, die der Dolmetscher dann gleich in Zielsprache übertragen kann.

d)    Vorträge, Präsentationen, Reden, Entwürfe usw.: Ich denke, die Wichtigkeit dieses Punktes braucht nicht ausführlich erläutert zu werden.  Ein Dolmetscher braucht den nötigen Input, um einen entsprechenden Output produzieren zu können. Dolmetschen ist wie scharf schießen, wo wirklich alles passieren kann. Wenn man jedoch bereits im Vorfeld weiß, dass ein Redner auf der Pressekonferenz den Begriff „Kolostrum“ verwenden wird, dann kann man sich darauf vorbereiten. (Apropos: Wissen Sie, was dieses Wort bedeutet? Wenn nicht, braucht Sie das nicht zu grämen; bis vor einigen Jahren wusste ich es auch nicht. Das Kolostrum ist bei Säugetieren die erste Milch für das Neugeborene, die in Aussehen und Zusammensetzung sehr stark von der späteren Muttermilch abweicht.) Im entgegengesetzten Fall muss ein Dolmetscher improvisieren, ein Vorgang, dessen Ausgang sehr unbestimmt ist.

e)    Wer wird die Kontaktperson von Seiten des Auftraggebers vor Ort sein, inklusive der Handynummer (sofern es sich nicht um die gleiche Person handelt, mit der der Dolmetscher den Auftrag verhandelt hat)?

f)    Werden von der Pressekonferenz aufnahmen gemacht? Dieser Umstand sollte wegen dem Urheberrecht geklärt werden, denn das Dolmetschen als Produkt gehört dem Dolmetscher. Sollte Bedarf bestehen, dieses Produkt abgesehen von der Verwendung „hier und jetzt“ auch später zu verwenden, so muss dies mit dem Dolmetscher abgeklärt werden, unter Umständen zusammen mit der Auszahlung des Verzichts auf urheberrechtliche Ansprüche. Das bezieht sich natürlich nicht auf die Notizen von Journalisten. Sollten aber im Fernsehen Bilder mit der Stimme des Dolmetschers gezeigt werden, so könnten sich daraus urheberrechtliche Konsequenzen ergeben.

g)    Wenn auf der Presskonferenz Filme gezeigt werden, die zu verdolmetschen sind (eventuell nur die Zusammenfassung), so sollte man diese dem Dolmetscher schon im Vorfeld zur Verfügung zu stellen.

5.    Am Tag der Pressekonferenz sollten Sie nicht vergessen, dass der Dolmetscher unter Umständen stundenlang reden wird, wozu er ausreichend zu trinken haben muss. Bitte stellen Sie ihm während der Pressekonferenz Mineralwasser zur Verfügung.

6.     Damit die Verdolmetschung auf der Pressekonferenz reibungslos verlaufen kann, sollte der Dolmetscher neben dem Redner stehen oder sitzen. Ausgenommen den Fall, es befinden sich auch ausländische Gäste auf der Bühne (ob sie reden oder nicht ist nicht von Bedeutung). In diesem Fall sollte der Dolmetscher neben den ausländischen Gästen/Rednern sitzen und zwar in der Nähe des ungarischen Redners. Denn bei dieser Art von Pressekonferenz wird der Dolmetscher die Rede des ungarischen Sprechers (oder aber Fragen aus dem Publikum) ins Ohr der ausländischen Gäste flüstern. Und wenn der ausländische Teilnehmer das Wort erhält, so fährt der Dolmetscher mit seiner Rede fort, und zwar in Abschnitten (so wie es beim Konsekutivdolmetschen gemacht wird). Sollte der Dolmetscher bei einer Veranstaltung dieser Art nicht in der Nähe des Redners stehen oder sitzen, besteht wegen dem Hintergrundlärm oder den akustischen Mängeln des Saals die Gefahr, dass einige – eventuell wichtige – Informationen verloren gehen. Wieso das nicht unbedingt gut ist, muss glaube ich nicht erklärt werden. (Einmal wollte man mich auf einer Pressekonferenz hinter die Redner und Teilnehmer in eine Ecke setzen, vermutlich sollte der Dolmetscher das „Bühnenbild“ nicht stören. Neben dem Umstand, dass das für die Zuhörer unter Umständen störend sein kann, denn sie sehen die Person nicht, die ihnen die Rede des ausländischen Sprechers verdolmetscht – in solchen Situationen ist auch die Metakommunikation von Bedeutung! –, birg diese Aufstellung auch die Gefahr, dass der Dolmetscher das Gesagte nicht richtig hört. Hinter und weit entfernt von einem Redner zu sitzen ist nämlich akustisch gefährlich. Ich konnte aber zum Glück die Veranstalter von ihrer Idee abbringen.)

7.    Wenn im Saal auch eine Lautsprecheranlage eingesetzt wird, so sollte man sicherstellen, dass die Rede auch auf der Bühne gut zu hören ist. In einem großen Raum mit Echoeffekt kann es leicht vorkommen, dass die Rede in den Reihen der Sprecher nicht mehr ganz klar zu hören ist. Und da läuft man wieder Gefahr, dass bei der Verdolmetschung Informationen verloren gehen. In einem größeren Saal ist es auch wichtig, dass für Fragen aus den Reihen der Teilnehmer ein Mikrofon bereitsteht. Andernfalls könnte es sein, dass weder der Sprecher noch der Dolmetscher die Frage versteht.


CHECKLISTE ZUM HERUNTERLADEN - DOLMETSCHEN AUF PRESSEKONFERENZEN